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Rede des Botschafters Pietro Benassi zum 71. Geburtstag der Italienischen Republik (Berlin, 1. Juni 2017)

Verehrte Staatsminister und Staatssekretäre, Exzellenzen,
Liebe Kollegen des diplomatischen Corps,
Sehr geehrte Mitglieder des Bundestages,
Liebe Landsleute,
Meine Damen und Herren,

ich danke, auch im Namen meiner Frau Monica, den zahlreichen Gästen, die heute mit uns den Geburtstag der Italienischen Republik feiern.

Dieses – für unser Land so wichtige Datum – wird natürlich in all unseren Diplomatischen Vertretungen in der Welt begangen. Für mich ist es in Berlin bereits das dritte Mal. Diesen Tag hier zu feiern, gibt uns die Möglichkeit, teilzuhaben und in einen tieferen Austausch zu treten: an erster Stelle mit unseren Landsleuten und natürlich auch mit den Vertretern des Diplomatischen Corps sowie mit vielen Freunden, Kollegen und den deutschen Institutionen, mit denen wir täglich zusammenarbeiten. Im Vordergrund steht hierbei die weitere Stärkung der bereits exzellenten Beziehungen zwischen Italien und Deutschland im gemeinsamen Haus der Europäischen Union.

Das vergangene Jahr war von außerordentlich zahlreichen Herausforderungen geprägt. Einige waren sehr schmerzhaft. Ich denke zuallererst an den Terrorismus: viele europäische Städte – Berlin inbegriffen – sind nicht von Unmenschlichkeit verschont geblieben. Noch ganz frisch ist unsere Trauer um die Tragödie von Manchester, eine unendliche Grausamkeit, der vor allem Kinder und Jugendliche ausgeliefert waren. Bei dem gemeinsamen und entschiedenen Vorgehen gegen diese höchste Form der Menschenverachtung wird Italien immer an der Seite aller anderen Partnerländer und Einrichtungen stehen.

Das laufende Jahr birgt weiterhin auch die epochale Aufgabe, für das Migrationsphänomen eine Lösung zu finden. Ich vertrete ein Land hier in Deutschland, welches nicht nur stärker als andere von diesem Phänomen betroffen ist, sondern auch wesentlich länger. Ganz besonders massiv hat sich der Flüchtlingsstrom mit Beginn des Jahres 2011 entwickelt – zeitgleich mit dem sogenannten Arabischen Frühling. Schon damals war uns bewusst, dass es sich um eine europäische Problematik handeln würde. Bis heute bemühen wir uns in den zuständigen Gremien, auf diese globale Herausforderung eine europäische Antwort zu finden. In dieser Hinsicht können wir den Aussagen von Außenminister Gabriel anlässlich des dritten Berliner Roundtable on Refugees nur zustimmen.
In der Zwischenzeit versuchen wir – nicht ohne Schwierigkeiten und kritische Momente – uns diesem Phänomen zu stellen. Wir können bei der Rettung von Menschenleben in Seenot – nicht ohne Stolz – beeindruckende Zahlen vorweisen. Kein geringerer als Präsident Juncker hätte diese Tatsache und deren dramatisches Ausmaß besser in einem Satz zusammenfassen können: „Italien hat die Ehre Europas gerettet“.
Wir sind davon überzeugt, dass die Europäische Union alle Voraussetzungen – aber auch eine historische Verantwortung – besitzt, um geschlossen eine strategische Antwort zu geben. Dies nicht nur, um sich ihre Ehre zu bewahren, sondern vor allem, weil es sich um eine strategische Fragestellung handelt.

Das Phänomen der Globalisierung – mit dem wir uns schon seit einigen Jahren konfrontiert sehen – spornt uns täglich zur Zusammenarbeit an. Ziel soll es sein, das darin liegende positive Potential besser zu nutzen und, wo nötig, die unerwünschten Folgen zu mildern oder beseitigen zu können. Die wichtigen Themen, die hierbei im Fokus der internationalen Debatte stehen, sind Handel, Klimaschutz sowie die innere und äußere Sicherheit auf unserem Kontinent; last but not least alle Maßnahmen, die ein solidarisches und nachhaltiges Wirtschaftswachstum im wünschenswerten Kontext eines sozialeren Europas begünstigen. Zu den zahlreichen Erfolgen, welche Deutschland in den letzten Jahrzehnten zu verzeichnen hat, zählt die Umsetzung einer sozialen Marktwirtschaft. Sie ist eine Errungenschaft, die – gegebenenfalls mit Anpassungen – als Vorbild dienen sollte.

Meine Damen und Herren, es steht nicht einfach nur die Aussicht auf mehr oder weniger Reichtum für den Kontinent auf dem Spiel. Vielmehr ist es im Wesentlichen die Sicherheit, den jüngeren und folgenden Generationen ein Erbe zu hinterlassen, das mit den tiefgreifenden anhaltenden Veränderungen kompatibel ist. Ich denke dabei an Frieden, wirtschaftliches Wachstum sowie die Wahrung der Rechte und Chancengleichheit.

Die Diskussion über den letzten G7 Gipfel in Taormina haben wir zur Kenntnis genommen, wohl wissend, dass wir unter dem Vorsitz Italiens alles getan haben, – auch mit der Unterstützung von Ländern wie Deutschland – um das bestmögliche Gesamtergebnis zu erreichen. Mit Hinblick auf den nächsten Gipfel in Hamburg hat die deutsche G20-Präsidentschaft die Aufgabe, weitere wichtige Zwischenergebnisse zu erreichen. Ihre Bemühungen werden wir aus Überzeugung tatkräftig unterstützen. Die EU-Länder, die Teil dieses Forums sind, müssen sich unserer Meinung nach bewusst sein, dass es besonders wichtig ist, für eine gemeinsame Antwort auf die globalen Probleme einzutreten.

In einer Zeit, die von globalen Fragestellungen bestimmt ist, muss sich unsere Europäische Union dringend rüsten, um in die Rolle des Global Players hineinwachsen zu können. Unter diesem Aspekt betrachtet, war das Jahr 2016 sicher kein einfaches Jahr. Mit einem gewissen Abstand könnte man auch sagen: ein annus horribilis. Und dies ist nicht nur rhetorisch gemeint, denn die EU stand auch aufgrund der unerwarteten Wahlergebnisse und der zunehmenden Erstarkung populistischer Kräfte unter Druck. Denn die Programmatik jener Kräfte trägt, unter dem Deckmantel der Wahrung nationaler Souveränität, nicht immer, aber so manches Mal fremdenfeindliche Züge.

Die letzten Monate machen jedoch Hoffnung und haben viele Länder – unabhängig von bevorstehenden Wahlterminen – veranlasst, ihren Weg in Richtung eines starken und geeinten Europas erneut aufzunehmen. Aus diesem Grund halten wir auch die Erklärung von Rom vom 25. März für einen wichtigen Etappensieg. Man beschränkte sich nicht nur auf die Würdigung der Vergangenheit mit den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge. Sondern man einigte sich bei dieser Gelegenheit auch auf Arbeitsfelder und Maßnahmen, die das europäische Projekt wiederbeleben und nachhaltig stärken sollen. Die Tatsache, dass alle 27 Teilnehmerländer die Erklärung unterschrieben haben, stimmt uns zuversichtlich.

Die Aufgabe, ein stärkeres, und für die gegenwärtigen Aufgabenstellungen besser gewappnetes Europa zu schaffen, liegt trotzdem immer noch vor uns. Wenn auch nichts verloren ist, muss man dennoch sagen, dass bisher nur wenig erreicht worden ist. Die Signale der letzten Monate sind allerdings vielversprechend und wir vertrauen auf das positive Potential der bis zum Ende des Jahres noch vor uns liegenden wichtigen Gipfeltreffen.
Wie John Maynard Keynes einmal schrieb: “Die Schwierigkeit besteht nicht so sehr darin, neue Ideen zu entwickeln, sondern den alten zu entkommen“.

Wir lesen sehr viele Analysen und Kommentare über die unterschiedlichen Lager der Fürsprecher und Gegner des europäischen Projektes. Meiner Meinung nach, erleben wir aber vor allem eine schleichende Spaltung, die sich im Lager der europäischen Befürworter vollzieht. Eine Spaltung zwischen den überzeugten und den eher zaghaften Europäern. Um das europäische Projekt vor seiner Auflösung zu bewahren, müssen wir die sogenannten ‚zaghaften Europäer‘ aus der passiven Haltung herausführen. Der Anstoß hierfür kann nur aus der Zivilgesellschaft kommen. Mit großer Bewunderung und Hoffnung sehe ich daher auf die bedeutenden und erfolgreichen (Pro-Europa)Initiativen, wie zum Beispiel Pulse of Europe. Sie verzeichnen einen großen Zulauf junger Leute. Dies ist wiederum ein starker Garant für die Sicherung des europäischen Projektes.
Die bottom-up Initiative der Jungen muss natürlich von einer top-down Aktion der politisch Verantwortlichen in Europa flankiert werden. Wir haben bereits genügend Beweise auf dem Kontinent sammeln können, die zeigen, dass es, wenn man mutig – auch reformistisch – über das europäische Projekt spricht, nicht unmittelbar dem nächsten Wahlgang schaden muss.

Aus gutem Grund komme ich nun am Ende zu den bilateralen Beziehungen zwischen Italien und Deutschland, denn sie wachsen und entfalten sich im Rahmen eines globalen Gesamtkonzeptes und insbesondere im Kontext der Europäischen Union.

Die europäischen Fragestellungen nehmen großen Einfluss auf unsere Beziehungen, gleichzeitig können wir mit zahlreichen bilateralen Beiträgen den Diskurs in Europa vielfältig bereichern. Die politischen und statistischen Fakten bestätigen nur diese Tatsache, so dass ich hier auf eine lange, obgleich beeindruckende Aufzählung von Beispielen verzichten möchte.

Sowohl Politik, Wirtschaft, Kultur, öffentliche Medien und die wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit als auch die Emigration – speziell die der Italiener und Italienerinnen nach Deutschland – haben im Laufe der Geschichte dazu beigetragen, dass wir gemeinsam gewachsen sind. Mit vereinter Kraft haben wir das in einem gemeinsamen Projekt geschafft. Das europäische Projekt ist die größte Errungenschaft unserer Vergangenheit. Sie ist der Schlüssel für unsere Zukunft.

In diesem Bewusstsein arbeite ich tagtäglich mit meinem Team in diesem Land. Ich möchte daher gerne diesen Rahmen zum Anlass nehmen, um mich bei ihm zu bedanken.

Mein Dank gilt jedoch auch meinen deutschen Ansprechpartner: manchmal diskutiert man über die Mittel und Wege. Aber ich erinnere mich nicht, dass ich ein einziges Mal über die Ziele hätte streiten müssen.

Meine sehr verehrten Gäste, ich freue mich, dass Sie unserer Einladung gefolgt und heute Abend so zahlreich erschienen sind.

Ich wünsche Ihnen und uns einen wunderbaren Abend.

Vielen Dank